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Natur als Wirtschaftsprinzip
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<div class="artikel90"> ={{PAGENAME}}= {{Infobox Publikation | autor = Winfried Hofinger | medium = Allgemeine Österreichische Forstzeitung | texttyp = Artikel | erscheinungsdatum= ?Juni 1995 | kategorien= Umweltschutz;Forstwirtschaft; 1995 | anmerkungen= Anruf von mehreren Leuten; Glückwunsch von f. Grill | anmerkungen2= }} oder: Warum Forstleute und Naturschützer nicht so gut miteinander können, wie sie das sollten. Dem Gegensatz von Naturschutz und Forstwirtschaft nähert man sich am besten, wenn man von den handelnden Personen ausgeht - und auch bei ihnen bleibt. Personalisieren nennt man das im Journalismus; anerkennend sagen es die einen, abwertend die anderen. Der Verfasser dieser Zeilen ist ein wenig Journalist, ist Vorsitzender des Tiroler Naturschutzbeirates und Forstwirt dazu. Keines ganz, von jedem etwas. Waldbauern und Forstwirte sind der festen Überzeugung, daß es niemanden weit und breit gibt, der vergleichbar schonend mit der ihnen anvertrauten Natur umgeht wie sie - und das mehr oder weniger freiwillig, aus bloßer Überzeugung. Die strengen Gesetze stammen inhaltlich aus einer Zeit, da auch im Wald Raubbau betrieben wurde, also aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber heute! Da weiß ein jeder von uns, was er tun darf und was nicht, auch ohne Gesetze. Und der umfassende Schutz der Natur ist eine Grundeinstellung und ein selbstverständliches Leitbild jedes forstlichen Handelns. Naturschützer denken da ganz anders. Lästig wie sie sind, ziehen sie, um ihre Thesen zu belegen, ausgerechnet den einen schlimmen Weg (den mit der weithin sichbaren, hundert Meter breiten Schotterböschung und den schwer verletzten Bäumen darauf) immer wieder aus der Versenkung. Haben sie gar ein abgeschlossenes Fachstudium hinter sich, dann sind ihre Beispiele noch stärker -bis hin zu den niedergespritzten Buchenverjüngungen vor dreißig, vierzig Jahren. Wenn heute die Fehler der Generationen vor uns aufgezeigt werden, dann läuft die Debatte darüber - und das nicht nur in der Forstwirtschaft - meistens so ab: Es werden alle alten Schandtaten freimütig zugegeben; und dann wird gleich dazugesagt, daß solche Fehler heute ganz sicher nicht mehr gemacht würden. Das sei nun alles erledigt, ein nochmaliges Aufwärmen dieser alten Sache sei in Zukunft höchst unfair. Selbst der friedlichste Gesprächspartner wird sich dabei denken: Damals, als der heute als Fehler eingestandene Unsinn begangen wurde, war keiner von denen bereit, das auch zu gestehen und zuzugeben. So wie die jetzt von mir aufgezeigten Fehler nicht eingestanden werden; mit denen wird es in einer Generation so sein wie mit den alten - mit Verspätung, nach erfolgtem Schaden, würde dann wieder reumütig gestanden: Ja, damals ... Forstleute haben für sich den großen Vorteil, daß sie sich als einzige im Wald wirklich auskennen. Im Gespräch mit aufrechten Naturliebhabern, auch studierten Botanikern, kommt man gleich einmal drauf, wie wenig von der Dynamik eines so komplizierten Gebildes, wie es ein Wald nun einmal ist, Allgemeinwissen ist. Wäre ja auch erstaunlich, wenn dem nicht so wäre. Wir werden doch nicht umsonst so viele Jahre auf einer dermaßen guten Hochschule verbracht haben. Aus diesem angehäuften Fachwissen erfließt nicht immer jene Bescheidenheit, die an sich die Krönung der Weisheit wäre: Zu wissen, daß man im Grunde auch nur ein beschränktes Detailwissen hat. Manchmal wird dann dem unkundigen Naturschützer dieses sein Nichtwissen mit großem Vergnügen vorgehalten (etwa, daß er diesen und jenen Wald für einen Urwald gehalten hätte - und wir wissen sogar, in welchem Jahrzehnt er künstlich angelegt wurde. Ha, ha, ha!). Es sind unter den Technikern womöglich überdurchschnittlich viele vertreten, die meinen, daß ihr jeweiliges Wissen zugleich auch der Gipfel sei, auf der Höhe der Zeit und in nichts bezweifelbar. Am Höhepunkt einer heftigen Auseinandersetzung, allerdings unter Kollegen, habe ich einmal meinem Gegenüber gesagt, es wäre eine Gnade, wenn er einsehen lernen könnte, daß ein und dieselbe Sache, von jeweils verschiedenen Standpunkten betrachtet, ganz verschieden aussehen könne - und daß der andere, weil er mein Problem ganz anders sieht als ich, deshalb noch lange kein Lügner und Dummkopf sein muß. Er hat mich ganz entgeistert angeschaut; so, als hätte ich eben gesagt, es gebe zwei Wahrheiten, oder, zwei und zwei sei für mich gelegentlich auch fünf. Gerade bei Problemkreisen, die sich nicht eindeutig und einfach definieren lassen, wo Wertungen einfließen, die sich jeder Messung und Gewichtung entziehen, gibt es nicht nur eine Lösung, sondern deren mehrere. Und jede von ihnen ist ehrenwert. Ganz zu schweigen von den Gefühlen: Sie sind der wesentlichere Teil des menschlichen Lebens. In Diskussionen um die Natur und ihre Schönheiten läßt sich schwer mit Maßstab und Mikroskop argumentieren. Dann spricht der eine von Erntefestmetern und Umtriebszeiten und der andere von Vogelgezwitscher und Totholz, und beide wundern sich, daß sie zueinander nicht kommen. Um endlich konkreter zu werden: Der Forstwirt sagt, um diesen und jenen Wald zu pflegen, um dort auch Holz zu ernten, brauche ich einen Weg. Den Wald nicht zu pflegen ist gesetzwidrig. Ihn nicht nutzen zu dürfen wäre Enteignung. Also wird der Weg gebaut. Der Naturschützer sagt: Jeder Weg ist ein Eingriff in die Natur. Je weniger Eingriffe, umso besser. Also verhindern wir am besten jeden Wegbau, zumal wir damit auch die Nutzung des Waldes einschränken. Die Bäume sterben den Alterstod, Wasserläufe werden nicht unterbrochen; Holzernte, wenn sie schon unbedingt sein soll, mit dem Seilkran. Der Verwaltungsgerichtshof hat unlängst am konkreten Beispiel eines Forstweges im Tiroler Außerfern entschieden, daß die Verpflichtung zur Bewirtschaftung des Waldes und das Recht zur Nutzung des Eigentums stärker sind als die Wünsche der Naturschützer nach Unberührtheit von Waldgebieten. Freude bei den Forstleuten, Trauer bei den Naturschützern. Und sie kommen sich, obwohl ihnen doch beiden an der Erhaltung der Natur gelegen ist, wieder nicht näher. Ihre unterschiedliche Interessenslage wurde von einem Höchstgericht bestätigt. Wie kommt man da heraus? Wie soll in Zukunft zusammengearbeitet werden? Die Forstwirte müssen trotz dieses oberstgerichtlichen Urteils zur Kenntnis nehmen, daß ihr Eigentum am Wald Beschränkungen unterliegt wie kein anderes Eigentum sonst. Eine Schuhfabrik oder ein Hotel kann der Eigentümer durch Jahre so verwalten, bis es konkursreif ist. Im Wald sind ihm dagegen die Hände durch strenge Gesetze und eine immer empfindlichere Öffentlichkeit stark gebunden. Daß er nachhaltig und im Einklang mit der Natur wirtschaftet, wird ganz selbstverständlich angenommen; nun wird ihm auch noch die Art und Weise im Detail vorgeschrieben. Den Naturschützer und die im Zweifelsfall auf seiner Seite stehende Öffentlichkeit wird man stärker in die Pflicht nehmen müssen. Werden über das normale Maß (aber was ist das schon?) hinausgehende Leistungen verlangt, dann sind die abzugelten. Von wem und wie? Vermarktung der Sonderleistungen - aber wer will das schon bezahlen? Entschädigungen für entgangene Einkommen - durch wen? Von allen Referenten auf den legendären Grillhofseminaren des Tiroler Forstdienstes ist, nicht nur mir, der weise Schweizer Gelehrte Nicolin de Bischoff am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben. Er hat den Forstleuten dort eindrücklich gesagt, daß sie nicht auf jedem Fleckchen, wo derzeit noch keine Bäume stehen, solche pflanzen müssen - sehr oft hätte solches Bemühen auch gar keinen Erfolg. Zugesetzte Wiesen und Runsen im Wald verstärkten die Wildschäden. Lichte Weidewälder seien oft die schöneren Waldbilder als unsere Fichtenplantagen. Die Umwandlung der letzten Moore und Blaiken in Wirtschaftswälder sei betriebswirtschaftlich in aller Regel nicht rentabel. Warum also Arbeit und Geld darein investieren? Die Naturschützer werden zugeben müssen, daß die derzeitige, uns allen vertraute Erscheinungsform von Wald und Flur Menschenwerk ist. Ihre Erhaltung in genau der Form des Jahres 1995 zu fordern ist willkürlich und von der Natur her unbegründbar. Der größte Brocken unter den Tiroler Naturschutzausgaben ist die - von mir und anderen sehr begrüßte - Erhaltung der Lärchenwiesen. Hier wird die Natur daran gehindert, das zu tun, was natürlich wäre: Ohne Beseitigung des natürlichen Anfluges wären die Lärchenwiesen in einer Generation dichte Fichten-Lärchen-Kiefernwälder. Ist dieses Beispiel nicht ein Anlaß, unseren Natur(schütz)begriff zu überdenken? Beide Seiten sollten sich bewußt werden, daß sie so weit nicht auseinander sind. Manches von dem, was - ohne es zu überprüfen aus anderen Ländern übernommen - unserer Forstwirtschaft vorgehalten wird, stimmt einfach nicht. Als vor ein paar Jahren kanadische Forstleute von uns durch Wirtschaftswälder, auch solche der Bundesforste, geführt wurden, da kamen sie aus dem Staunen nicht herau: Wirtschaften und doch Natur, sagten sie die ganze Zeit. Natur als Wirtschaftsprinzip - es ist ein Widerspruch in sich. In der in unseren Wäldern geübten Form ist - bei allen Fehlern, die nicht wütend geleugnet werden sollten - sehr oft ein tragbares Nebeneinander gefunden worden. </div> [[Kategorie:Umweltschutz]] [[Kategorie:Forstwirtschaft]] [[Kategorie:1995]]
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