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Kulturlandschaft - eine Frage des Erkennens
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<div class="artikel90"> ={{PAGENAME}}= {{Infobox Publikation | autor = Winfried Hofinger | medium = ? | texttyp = Artikel | erscheinungsdatum=? 2002 | kategorien=Agrarisches; 2002 | anmerkungen= | anmerkungen2= }} Der ständige Wandel als erstes Merkmal Kaum jemand, der mit der Stubaitalbahn durch die Lärchenwälder zwischen Telfes und Kreith fährt, wird wissen, daß diese schönen Landschaftselemente nicht natürlichen Ursprunges sind. Weist man seinen Begleiter auf die vielen jungen Fichten zwischen den alten Lärchen hin und sagt man ihm, daß dies alles in einer Generation Fichten-Kiefern-Lärchenwälder sein werden - dann wird er entsetzt danach verlangen, daß da etwas geschehen muß. Es geschieht etwas Mit Hilfe von Landesmitteln (nicht vom Tourismus, sondern aus der Abteilung Naturschutz) werden die Besitzer von Lärchenwiesen dazu ermuntert, die Natur daran zu hindern, das zu tun, was natürlich wäre. Wer diese und andere Naturerscheinungen nicht gleich und nicht richtig zu deuten versteht, muß sich nicht schämen. Vor ein paar Jahren haben Botaniker im Naturschutzbeirat verkündet, die geschlossenen Zirbenwälder des Radurscheltales wären Urwälder - bis die Bundesforste ihre alten Operate herausrückten und schwarz auf weiß belegten, wann zu Beginn des vorigen Jahrhunderts hier der letzte Großkahlschlag stattfand. Als die anschließend künstlich aufgebrachten Zirben wieder so weit waren, daß man sie hätte niedermachen können, war die Haller Saline an die Eisenbahn angeschlossen und auf Kohle umgestellt. Innaufwärts von Hall kann man mit Sicherheit annehmen, daß alle Wälder bis ins letzte Seitental ganz deutlich die Spuren dieses Großverbrauchers zeigen, bis hinauf ins Engadin. Sogar aus der Leutasch wurde Holz ins Inntal gebracht: Wer es weiß, findet auf Lichtbildern noch die letzten Spuren des von den Holzunternehmern Hirn gebauten Hangkanals. Es läßt sich das, was man auf einer Exkursion am Beispiel der Lärchenwiesen augenfällig erklären kann, auch im verkleinerten Maßstab belegen. Wald vorherrschend Im Alpenvereinsjahrbuch 1998 habe ich, als Beleg für diesen Sachverhalt, aus dem Kitzbüheler Stadtbuch zwei Karten von Hugo M. Schiechtl abdrucken lassen: Eine mit der heutigen Vegetationsverteilung, daneben jene mit der potentiellen Vegetation - die also darstellt, wie die Gegend ausschauen würde, wenn hier kein Mensch je gehaust hätte. Vereinfacht kann man sagen, daß unsere Alpentäler von der Bachsohle bis hinauf zur natürlichen Baumgrenze mehr oder weniger dicht bewaldet wären, hauptsächlich mit alten, gelegentlich zusammenbrechenden und sich dann natürlich verjüngenden Baumgruppen. Kiefern würde es dort geben, wo es viel Licht gibt und wo den anderen Baumarten der Boden zu dürftig, zu feucht oder zu trocken ist. Zirben stünden an der natürlichen Wald- und Baumgrenze nach oben, dort, wo heute vielfach Almen sind. Latschen an den Schotterriesen und an Mooren, Eichen, Linden und Ulmen an den Sonnenhängen der Talsohlen. Wesentlich mehr Tannen und Laubhölzer als heute gäbe es in den jüngeren Altersklassen, weil es ohne Menschen und mit Hilfe der Raubtiere viel weniger Wild gäbe. Hirsche würden im Winter ungefüttert verhungern. Jetzt besorgen sie sich die Grundration an den Fütterungen, dazu kommen Rinden und Knospen von Bäumen und Sträuchern als Nachtisch. Das Beispiel der Lärchenwiesen zeigt, daß das, was wir als die Kulturlandschaft kennen und schützen, einem stetigen Wandel unterworfen ist. Feld und Wiese Nicht nur, ob irgendwo Wald ist, lichter Wald oder Wiesen und Äcker - auch innerhalb der baumlosen Flur sind Änderungen eindeutig nachweisbar: Frau Dr. Erika Hubatschek hat vor 60 Jahren zu fotografieren begonnen - es gibt von ihr, in ihren späteren Büchern, Gegenüberstellungen von einst und jetzt. Man wundert sich dann, wo es früher überall Getreideanbau gegeben hat - in den steilsten, sonnseitigen Lagen der Hochtäler, wo heute fast nur noch Grünland ist. Mit der Änderung in der Arbeitsweise der Landschaftsgestalter, der Bauern, hat sich auch die "Möblierung" der Kulturlandschaft geändert. Wer Koppelwirtschaft betreibt, dem ist mit einem Elektrozaun natürlich viel mehr gedient als mit dem schönsten Steckzaun oder mit Steinmauern. Wer das Almvieh mit dem Lastauto über den Forstweg anliefert, läßt die alten steilen Almwege, über die früher einmal das Vieh hinaufgetrieben und der Käse herunter getragen wurde, bedenkenlos verfallen. Wer mit dem Ladewagen Heu einfährt, braucht nicht auf jedem noch so kleinen Wiesele einen Stadel. Wer mit der Waschmaschine fast täglich Wäsche wäscht, braucht keine holzbeheizte Waschhütte. Wer das Brot beim Bäcker kauft, braucht keinen Backofen mehr. Wer nur einmal um einen Baum herum gemäht hat, händisch oder mit dem Mäher, der ist dafür, daß auf einer Wiese kein Baum steht. Grundzusammenlegung Und so wurde vor dreißig, vierzig Jahren dann auch Grundzusammenlegung betrieben. Das wildeste Beispiel dafür ist das Kemater Feld, wo zwischen Völs und Kematen kein Baum stehen blieb. Wenn heute überhaupt noch nennenswerte Flurbereinigungen durchgeführt werden, dann achtet man auf diese Landschaftselemente. Niemand bestreitet, daß man damals gelegentlich viel zu weit gegangen ist; und daß ein Windschutzstreifen, womöglich aus Pappeln (wie der in Kirchdorf), den Schaden auch nicht wieder gut macht, der einer Landschaft angetan wurde, wenn sie "ausgeräumt" wurde. Diskussionen zwischen Bauern und "Agrariern" einerseits und Naturliebhabern andererseits entstehen immer dann, wenn die einen verändern und die anderen bewahren wollen. Da hilft dann kein Hinweis darauf, daß das, was wir heute vorfinden, was viele mögen und daher erhalten haben wollen, auch nur eine Momentaufnahme ist. Daß es früher einen eigenen Berufsstand, die Almputzer, gegeben hat, die be- und entwässerten, die ausrissen oder umschnitten, was auf Almen oder Bergwiesen nicht wachsen sollte, von Almrosen bis zu Latschen - wer weiß das noch? Es ist schon reichlich vieles zugewachsen. Trotzdem bestraft das Forstgesetz weiterhin den, der den Wald an seiner Ausbreitung auf Kosten von Wiesen verhindert. Das Zuwachsen oft tausend Jahre alter Wiesen wird dagegen von denselben Behörden hingenommen oder begrüßt. Auch der Naturschutz schweigt sich dazu aus. Als ob immer noch mehr Wald wünschenswert wäre. Entscheidungen in Brüssel Eine ganz neue Dimension bekommt die Sache durch den Beitritt Österreichs zur EU. Nach der Vogelschutz- und nach der FFH-(Flora-Fauna-Habitat-)Richtlinie, besser bekannt unter "Natura 2000", wird künftig in Brüssel entschieden, ob eine Alm geputzt werden darf oder nicht; ob eine Magerwiese aufgedüngt werden darf, worauf unbestritten der Bürstling den für die Viehhaltung wertvolleren Gräsern weicht. Dieses Beispiel ist nicht polemisch gewählt - der Bürstling ist tatsächlich als besonders schützenswert nach Brüssel gemeldet worden. Der Aufschrei der Bauernvertreter, daß man über so weitreichende Eingriffe bzw. Verbote vorher mit den Eigentümern der Flächen hätte reden können, wurde nicht einmal ignoriert. Dabei hat es Tirol noch relativ gut getroffen: Bei uns ist nur ein Siebentel der Landesfläche nach Brüssel gemeldet worden; von Niederösterreich dagegen ein Drittel. Um welche hochwertigen Biotope es sich dabei handelt (unter anderem die Agrarsteppen nördlich und südlich von Wien) erfuhr die gesetzliche Interessenvertretung der nö. Bauern aus der Zeitung. Auch unseren Jägern wird künftig eine EU-Behörde vorschreiben, welche Vögel jagdbar sind und welche nicht. Das, was wir und unsere vielen Gäste als Natur schätzen, ist bis über 2.000 m Seehöhe wesentlich vom Menschen geprägt. Sich selbst überlassen, werden diese Landschaften gleichförmiger und artenärmer. Ein Bestehen auf dem derzeitigen Stand der Entwicklung als einzig wünschenswertem, müßte begründet werden. Aus der Sicht des Eigentümers müßte dieser Halt als Eingriff in sein Eigentumsrecht entschädigt werden. </div> [[Kategorie:Agrarisches]] [[Kategorie:2002]]
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