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Bildungseinrichtungen: Weg mit "Kantönligeist"
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<div class="artikel90"> ={{PAGENAME}}= {{Infobox Publikation | autor = Winfried Hofinger | medium = Tiroler Tageszeitung | texttyp = Artikel | erscheinungsdatum= ? September 1969 | kategorien= Erwachsenenbildung; Fritz Prior; 1969 | anmerkungen= | anmerkungen2=führte zu [[Brief an Prior]] }} Erwachsenenbildner wollen in Zukunft zusammenarbeiten – Interessante Vorträge und Erkenntnisse bei der 18. Tiroler Dorftagung 100 Erwachsenenbildner aus Nordtirol, Südtirol und sechs anderen Bundesländern vereinte am Anfang dieser Woche die 18. Tiroler Dorftagung im Volksbildungsheim Grillhof. Einladende Veranstalter waren: das Katholische Bildungswerk Tirol, der Verein Dorfbildung und das Tiroler Volksbildungswerk, doch folgten auch Personen, die in anderen Erwachsenenbildungseinrichtungen wichtige Funktionen haben, der Einladung. Praktisch zur Gänze abwesend waren Tirols Politiker, die zeitweilige Anwesenheit eines sozialistischen Landtagsabgeordneten und die dreistündige Anwensenheit des zuständigen Regierungsmitgliedes dokumentierten den Anwesenden, welche Bedeutung man diesem Themenkreis von seiten der Öffentlichkeit beimißt. Die Tagung wurde eröffnet vom Direktor der Abteilung außerschulische Jugenderziehung im Europarat zu Straßburg, Dr. Herbert Jocher, welcher über "gegenwärtige Strömung der Erwachsenenbildung in Europa" sprach. Dr. Jocher meinte zwar, seine Ausführungen seien völlig ideologiefrei, sie waren es in Wahrheit keineswegs: Er forderte die Unterordnung praktisch aller Lebensbereiche unter die Bedürfnisse der Wirtschaft. Auch die Bildung muß sich nach seinen Ansichten der Wirtschaft unterordnen, und da die Voraussetzungen für die industrielle Produktion sich ständig ändern, muß der Mensch sein Leben lang lernen. Sehr oft fiel das Schlagwort von der "education permanente". Mit Hilfe welcher Methoden in Zukunft vermutlich ein Leben lang gelernt würde, deutete der Vortragende nur an, doch auch diese Andeutungen genügten, um manchem in Ehren ergrauten Bildungswerkleiter den Schauder über den Rücken zu jagen. Die aus diesem Referat gewonnenen Erkenntnisse über die Methoden vervollständigte Dr. Hans Tietgens von der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes in Frankfurt am Main durch Hinweise auf die inhaltlichen Forderungen an die heutige Erwachsenenbildung. Louis Oberwalder, gebürtiger Osttiroler und Leiter des Bundesheimes für Erwachsenenbildung in St. Wolfgang, konkretisierte diese aus einer weltweiten Sicht gewonnenen Erkenntnisse am Beispiel Tirol. Die derzeitige Lage der Erwachsenenbildung in Tirol krankt daran, daß sie in das traditionelle Bildungssystem nicht eingebunden ist; es fehlt eine Lehrkanzel für dieses Fach an der hiesigen Universität, daher haftet der Erwachsenenbildung — bisweilen nicht zu Unrecht — das Odium des Dilettantismus an. Ein kleinkrämerisches Neben-, bisweilen sogar Gegeneinander verringert ihre Durchschlagskraft. Die Vermengung von Erwachsenenbildung und Volkskultur unter dem einen Dach Volksbildung wirkt sich in der Kulturpolitik des Landes und der Gemeinden zuungunsten der Erwachsenenbildung aus. Hätten wir nur das Geld, das den Schützen zur Verfügung steht, wurde bisweilen gejammert. Als Schwerpunkte eines Konzeptes der Erwachsenenbildung in Tirol nannte Prof. Oberwalder: Alle Stellen, die sich in irgendeiner Form mit der Bildung des erwachsenen Menschen beschäftigen, müßten durch geeignete Stellen zu einer weitgehenden Kooperation gedrängt werden. Dr. Zangerle lehnte in seinem Schlußwort jede Form von Zwang entschieden ab. (In einem sehr verwandten Gebiet, nämlich auf dem Schulsektor, wird ein sehr scharfer Zwang bis ins kleinste Detail eher als selbstverständlich hingenommen.) Unbedingt notwendig sei es, daß die Erwachsenenbildung mit etwas mehr Selbstbewußtsein als bisher für sich selbst Reklame betreibe. Zur Kooperation gehört als notwendige Ergänzung eine Aufgabenteilung unter den verschiedenen Organisationen, jede soll in erster Linie das leisten, wozu sie personell und materiell am besten geeignet ist. Einen großen Raum bei den Dorftagungen nehmen jeweils Arbeitskreise und Diskussionsrunden ein. Es sind bei diesen Tagungen jeweils Leute beisammen, die selbst gewohnt sind, sich sprechen zu hören (und die das auch sehr gerne tun), die andererseits aber auch von der Sache etwas verstehen. Alle Arbeitsgruppen bei der diejährigen Dorftagung kamen zu Auffassung, daß alle neuen Methoden und alle bisher nur schemenhaft vermuteten Inhalte der Zukunft nur gemeistert werden können, wenn der bisher vorherrschende Kantönligeist der einzelnen Bildungseinrichtungen schleunigst überwunden würde. Dazu ist es natürlich nötig, Ressentiments und "ideologische" Vorurteile schleunigst abzubauen. Mehr als bisher müßten sich die Einrichtungen der Erwachsenenbildung danach richten, was man von ihnen verlangt und danach ihre Pläne ausrichten. Landeshauptmannstellvertreter Dr. Prior, der die Erwartungen der Kulturpolitik des Landes an die Erwachsenenbildner formulierte, konnte, wie gesagt, nicht an der gesamten Tagung teilnehmen. Er beschränkte sich auf eine kurze Darlegung seiner Forderungen, wie verständnisvolle Zusammenarbeit, Erstellung eines flexiblen Gesamtkonzeptes, weitere Mitarbeit aller Institutionen. Dieser letzte Teil der Tagung fiel angesichts der Wichtigkeit der Materie für die gesamte Zukunft des Landes eher kurz aus. Dr. Ignaz Zangerle hielt ein brillantes Schlußwort. Er faßte alles, was sich auf der 18. Tiroler Dorftagung begab, noch einmal kurz zusammen, nicht ohne kritisch zu bemerken, daß es eigentlich erstaunlich sei, wenn eine Zusammenkunft von berufsmäßigen Erwachsenenbildnern in ihrem Aufbau und in der praktischen Durchführung genau jene methodischen Fehler und Unzulänglichkeiten aufweise, die man in der Theorie längst als solche erkannt hat und verabscheut. </div> [[Kategorie:Tiroler Tageszeitung]] [[Kategorie:Erwachsenenbildung]] [[Kategorie:Fritz Prior]] [[Kategorie:1969]]
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