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Verlorene "Söhne"
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{{Infobox Publikation | autor = Winfried Hofinger | medium = präsent | texttyp = Kommentar, Scheibenwischer | erscheinungsdatum= Mai 1980 | kategorien= Trivia; 1980 | anmerkungen= | anmerkungen2= }} <div class=artikel300> ={{PAGENAME}}= Wenn einer eine Reise tut, dann soll er sich darauf vorbereiten. Der Verfasser dieser Glosse fährt im Herbst nach Israel. Also geht er eines verregneten Samstags an seine Bücherwand, um sich daraus das musterhafte Buch über die Ausgrabungen von Massada zu holen. Es ist nicht da! Folgendes bleibt zu tun: Sich im stillen zu ärgern, oder, biblisch, mit den Zähnen zu knirschen; oder alle Freunde und Bekannten, die in den letzten fünf Jahren in Israel waren, anzurufen, ob nicht sie sich das schöne Buch vor Jahren ausgeliehen hätten. Bis man sich zum säumigen Entlehner durchgefragt hat, sind ein Dutzend Leute beleidigt, da man ihnen unterstellte, sie hätten das Werk nicht zurückgegeben. Der eine oder andere wird die Gelegenheit, weil man gerade über Bücher spricht, dazu benützen, um nach einem Buch zu fragen, das er in der Bibliothek des Anrufers vermutet. Womöglich zu Recht ... Bücher haben eine fatale Eigenart: Wenn man sie verleiht, dann kommen sie nicht mehr zurück. Und so hat fast jeder, der mehr als ein Zweitbuch sein eigen nennt, zahlreiche Bücher außer Haus, bei guten Freunden bestens und für ewige Zeiten aufgehoben, während anderseits Bücher, die in einer anderen Bibliothek zu Hause sind, schon seit Jahren zu Gast sind, in der Fremde. So geht es in der Regel zu: An einem langen Abend verbeißt man sich in ein Thema. Zum Beweis seiner Belesenheit hält man dem Gast das dazugehörige Fachbuch unter die Nase. Man schreibt groß und deutlich seinen Familiennamen auf das Deckblatt und glaubt und hofft trotz gegenteiliger Erfahrung, das Buch wäre in ein paar Wochen wieder zurück. Nach ein paar Wochen ist das Buch nicht nur nicht zurück, man weiß nicht einmal mehr, wem man es geliehen hat. Es gibt so viele Tage in unserer Republik: Einen Tag des Brotes, der Lyrik, der Milch; es gibt zahlreiche Wochen: des Waldes, der Zärtlichkeit. Das Jahr des Kindes, des Denkmalschutzes, der Frau. Ein eigennütziger Vorschlag: Schaffen wir eine "Woche des verlorenen Buches." Jedermann macht in dieser Woche Inventur in seinem Bücherschrank. Er schaut jedes Buch daraufhin an, ab es wirklich ihm gehört. Als Dank für diese Mühe erhält er zur selben Zeit von ringsum Bücher zurück, die er schon längst verloren glaubte. Die Freude über all die zurückgekehrten Schätze wird nicht viel geringer sein als die Freude über den verlorenen Sohn. Besonders schmerzhaft sind die ausständigen Lieben, die vergriffen sind. Auch würde man dem unbekannten Bekannten den 17. Band aus der 20teiligen Brechtausgabe durchaus noch ein paar Wochen gönnen; aber er wird zugeben müssen, daß gesammelte Werke unvollständig nur einen sehr geringen Wert haben. Die Buchhandlungen werden das alles nicht unterstützen. Denen kann es nur recht sein, wenn ausgeliehen gleich verloren ist. Sie würden, womöglich, nach einer nationalen Buch-Rückgabe-Woche einen merkbaren Umsatzrückgang verzeichnen: Weil man dann auf Wochen mit den heimgekehrten Schätzen beschäftigt ist, würde man kaum neue Bücher kaufen. Auch ohne ehrliche Bücherwoche: Wer hat mein "Massada" irrtümlicherweise seit Jahren bei sich stehen? Anmerkung des Verfassers: Ein paar Tage nachdem dieser Artikel erschien, erhielt er das oben genannte Massadabuch zurück - der Ausleiher hatte den Aufruf gelesen </div> [[Kategorie:Präsent]] [[Kategorie:Trivia]] [[Kategorie:1980]]
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