Aus Holzknecht
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Der britische Volkswirtschaftler Parkinson wurde durch die Entdeckung des von ihm nach sich selbst benannten "Parkison'schen Gesetzes" weltberühmt. Es geht aus von zwei Grundwahrheiten: 1. "Jeder Beamte oder Angestellte wünscht die Zahl seiner Untergebenen, nicht aber die Zahl seiner Rivalen, zu vergrößern. 2. Beamte oder Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit!" An mehreren Beispielen erklärt er dann das aus diesen Prämissen notwendigerweise folgende Gesetz, daß nämlich die Zahl der Beamten oder Angestellten in gar keiner Beziehung zur Menge der vorhandenen Arbeit steht und daß sich das Wachstum des Beamten- und Angestelltenheeres nach einer mathematischen Formel vollzieht, unabhängig davon, ob die Arbeit zunimmt, abnimmt oder ganz verschwindet. | Der britische Volkswirtschaftler Parkinson wurde durch die Entdeckung des von ihm nach sich selbst benannten "Parkison'schen Gesetzes" weltberühmt. Es geht aus von zwei Grundwahrheiten: 1. "Jeder Beamte oder Angestellte wünscht die Zahl seiner Untergebenen, nicht aber die Zahl seiner Rivalen, zu vergrößern. 2. Beamte oder Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit!" An mehreren Beispielen erklärt er dann das aus diesen Prämissen notwendigerweise folgende Gesetz, daß nämlich die Zahl der Beamten oder Angestellten in gar keiner Beziehung zur Menge der vorhandenen Arbeit steht und daß sich das Wachstum des Beamten- und Angestelltenheeres nach einer mathematischen Formel vollzieht, unabhängig davon, ob die Arbeit zunimmt, abnimmt oder ganz verschwindet. | ||
- | Weniger bekannt sind die Forschungen Parkinsons zum Thema "Vorgeplante Mausoleen" | + | |
- | Man betrachte beispielsweise die Organisation eines Verlages. Verleger haben, wie wir wissen, eine starke Neigung zu einem Leben in chaotischer Gärung | + | Weniger bekannt sind die Forschungen Parkinsons zum Thema "Vorgeplante Mausoleen". Was er darüber schrieb, scheint uns für die "Pädagogische Akademie" zu Innsbruck geschrieben zu sein: |
+ | Man betrachte beispielsweise die Organisation eines Verlages. Verleger haben, wie wir wissen, eine starke Neigung zu einem Leben in chaotischer Gärung. Ein Besucher, der einen Verlag durch das betritt, was er für den Haupteingang hält, wird wieder hinausgeführt, um den ganzen Block herum, durch eine Seitenstraße und dann eine Hinterhaustreppe drei Etagen hoch; dort ist der Verlag, - Forschungsstätten sind in der Regel ähnlich untergebracht; man findet sie im Parterre einer zweckentfremdeten Privatvilla, muß durch einen verrückten, holzgetäfelten Korridor hindurch zu der verrosteten Wellblechbaracke, die im ehemaligen Garten der Villa steht. Und wie ist es mit Flugplätzen? Sind wir nicht alle vertraut mit der Anlage eines internationalen Lufthafens? Wenn wir aus der Maschine steigen, sehen wir regelmäßig (zur Rechten oder zur Linken) eine Art Wolkenkratzer, bekleidet mit Baugerüsten. Dann führt uns die Stewardeß zu einer winzigen, mit Dachpappe gedeckten Hütte. Niemand erwartet etwas anderes. Denn bis das Hauptgebäude fertig ist, befindet sich hier längst kein Flugplatz mehr. Er ist verlagert worden. | ||
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So lebendig und produktiv die genannten Institutionen sein mögen, sie gedeihen offenbar am besten in derart schäbigen, provisorischen Unterkünften, Erleichtert wenden wir uns deshalb einem Verwaltungsgebäude zu, welches offenbar von Anfang an mit dem Hauptaugenmerk auf Komfort und Würde geplant wurde. Der Eingang, ganz Bronze und Glas, liegt genau im Mittelpunkt einer symmetrischen Fassade. Sorgfältig geputzte Schuhe gleiten lautlos über glänzende Kunststoffplatten zu den schweigenden, schimmernden Aufzügen. Die überwältigend kultivierte Empfangsdame murmelt sanft durch kaminrote Lippen in eineisblaues Telephon. Sie winkt dir, in einem Armstuhl aus Chrom Platz zu nehmen und tröstet dich mit einem bedrückenden Lächeln, weil du einen Augenblick warten mußt. Gelingt es dir, den Blick von dem lackierten Magazin in deinen Händen zu heben, dann versinkt er in endlosen Korridoren, die sich zu den Abteilungen A, B und C erstrecken. Aus geschlossenen Türen klingt das gedämpfte Geräusch gemäßigter Arbeit. Nur eine Minute noch, und du selber pflügst knöcheltief durch den Teppich des Direktionszimmers, kämpfst dich Schritt für Schritt vor bis zu dem entfernten Ungetüm von einem Schreibtisch. Hypnotisiert durch den starren Blick des Direktors, gedemütigt von dem einsamen Matisse an der Wand, spürst du plötzlich, daß du dich im Zentrum aller Betriebsamkeit der Welt befindest, daß du den Ort erreicht hast, wo die höchste Wirksamkeit entfaltet wird. | So lebendig und produktiv die genannten Institutionen sein mögen, sie gedeihen offenbar am besten in derart schäbigen, provisorischen Unterkünften, Erleichtert wenden wir uns deshalb einem Verwaltungsgebäude zu, welches offenbar von Anfang an mit dem Hauptaugenmerk auf Komfort und Würde geplant wurde. Der Eingang, ganz Bronze und Glas, liegt genau im Mittelpunkt einer symmetrischen Fassade. Sorgfältig geputzte Schuhe gleiten lautlos über glänzende Kunststoffplatten zu den schweigenden, schimmernden Aufzügen. Die überwältigend kultivierte Empfangsdame murmelt sanft durch kaminrote Lippen in eineisblaues Telephon. Sie winkt dir, in einem Armstuhl aus Chrom Platz zu nehmen und tröstet dich mit einem bedrückenden Lächeln, weil du einen Augenblick warten mußt. Gelingt es dir, den Blick von dem lackierten Magazin in deinen Händen zu heben, dann versinkt er in endlosen Korridoren, die sich zu den Abteilungen A, B und C erstrecken. Aus geschlossenen Türen klingt das gedämpfte Geräusch gemäßigter Arbeit. Nur eine Minute noch, und du selber pflügst knöcheltief durch den Teppich des Direktionszimmers, kämpfst dich Schritt für Schritt vor bis zu dem entfernten Ungetüm von einem Schreibtisch. Hypnotisiert durch den starren Blick des Direktors, gedemütigt von dem einsamen Matisse an der Wand, spürst du plötzlich, daß du dich im Zentrum aller Betriebsamkeit der Welt befindest, daß du den Ort erreicht hast, wo die höchste Wirksamkeit entfaltet wird. | ||
- | In Wirklichkeit hast du nichts dergleichen erreicht. Es ist heute bekannt, daß eine Perfektion der Planung nur von jenen Instituten erreicht wird, die sich am Rande des Ruins befinden. Dieser Schluß, paradox wie er klingen mag, ist begründet auf eine Unmenge archäologischer und historischer Untersuchungen, mit deren Esoterik | + | |
+ | In Wirklichkeit hast du nichts dergleichen erreicht. Es ist heute bekannt, daß eine Perfektion der Planung nur von jenen Instituten erreicht wird, die sich am Rande des Ruins befinden. Dieser Schluß, paradox wie er klingen mag, ist begründet auf eine Unmenge archäologischer und historischer Untersuchungen, mit deren Esoterik wir den Leser nur am Rande vertraut machen wollen. Hauptaugenmerk wurde bei diesem Verfahren darauf gerichtet, jene Gebäude auszusondern und zeitlich zu bestimmen, die offenbar einmal mit Perfektion für ihren Bestimmungszweck geplant wurden. Gründliche Analysen sowie Vergleiche solcher Bauten zeigten deutlich, daß jede Perfektion der Planung ein Zeichen des Niederganges ist. Während Perioden aufregender Entdeckungen oder Fortschritte hat kein Mensch Zeit, ein vollkommenes Hauptquartier zu erstellen. Dieser Zeitpunkt rückt erst heran, wenn alle bedeutende Arbeit getan ist, Perfektion - wissen wir heute - ist das Ende. Und das Ende ist der Tod." | ||
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+ | Am Beispiel des Petdersdomes, des Völkerbundpalastes, des Pentagons und vieler englischer Bauten erläutert Parkinsom, wie richtig sein Gesetz von den vorgeplanten Mausoleen ist; dem Leser aus unseren Landstrichen fallen ständig auch österreichische Institutionen ein, auf die das Gesetz trefflich angewendet werden kann: Die Eröffnung der Wiener Staatsoper im Jahre 1955 war genau der Zeitpunkt, an dem das legendäre Ensemble der Nachkriegszeit, das in ehemaligen Varitees und Ausweichquartieren großartiges leistete, auseinander fiel. Der geplante Neubau des Unterrichtsministeriums wird zu einer Zeit vollendet werden, da Österreich wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung unter die der meisten Entwicklungsländer gesunken sein wird. | ||
Der Innsbrucker Flughafen ist ein vorgeplantes Mausoleum - wenn man hier von "planen" überhaupt sprechen soll. | Der Innsbrucker Flughafen ist ein vorgeplantes Mausoleum - wenn man hier von "planen" überhaupt sprechen soll. | ||
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- | Das beste Beispiel aber ist, wie gesagt, die Pädagogische Akademie in Innsbruck. Diesen Herbst wird der Lehrbetrieb aufgenommen, noch nicht einmal in der Baracke, sondern im Zimmer, die eigentlich für andere Schulen bestimmt sind. Ein Team von ehrgeizeigen und qualifizierten Pädagogen brennt danach, zu zeigen, was er kann. Was wird sein, wenn das "vorgeplante Mausoleum", die pädagogische Akademie in Wilten auf jedem Feld, auf dem dieser Tage Silomais geerntet wird, fertig gebaut ist? Es ist keineswegs sicher, ob man dann noch pädagogische Akademien brauchen wird, ob man bis dahin nicht kleinlaut zur guten alten LBA zurückgekehrt sein wird. Die feurigen Renner des Jahres werden in zehn Jahren, jede Wette, um zehn Jahre älter sein und vermutlich einiges von ihrer Tatkraft verloren haben. Es scheint mehr als fraglich, ob die Verhinderung des Neubaues der pädagogischen Akademie schon genügt, die Institution als solche zu retten - oder umgekehrt. Parkinson meint dazu: Es ist durchaus nicht sicher, daß ein einflußreicher Leser dieses Kapitels das Leben einer untergehenden Institution retten könnte, indem er sie einfach ihres stromlinienförmigen Hauptquartieres beraubt. Was er jedoch mit Aussicht auf Erfolg tun kann, ist, eine Organisation oder Einrichtung daran zu hindern, daß sie sich selbst bei der Geburt umbringt. Es gibt Beispiele im | + | Das beste Beispiel aber ist, wie gesagt, die Pädagogische Akademie in Innsbruck. Diesen Herbst wird der Lehrbetrieb aufgenommen, noch nicht einmal in der Baracke, sondern im Zimmer, die eigentlich für andere Schulen bestimmt sind. Ein Team von ehrgeizeigen und qualifizierten Pädagogen brennt danach, zu zeigen, was er kann. Was wird sein, wenn das "vorgeplante Mausoleum", die pädagogische Akademie in Wilten auf jedem Feld, auf dem dieser Tage Silomais geerntet wird, fertig gebaut ist? Es ist keineswegs sicher, ob man dann noch pädagogische Akademien brauchen wird, ob man bis dahin nicht kleinlaut zur guten alten LBA zurückgekehrt sein wird. Die feurigen Renner des Jahres werden in zehn Jahren, jede Wette, um zehn Jahre älter sein und vermutlich einiges von ihrer Tatkraft verloren haben. Es scheint mehr als fraglich, ob die Verhinderung des Neubaues der pädagogischen Akademie schon genügt, die Institution als solche zu retten - oder umgekehrt. |
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+ | Parkinson meint dazu: Es ist durchaus nicht sicher, daß ein einflußreicher Leser dieses Kapitels das Leben einer untergehenden Institution retten könnte, indem er sie einfach ihres stromlinienförmigen Hauptquartieres beraubt. Was er jedoch mit Aussicht auf Erfolg tun kann, ist, eine Organisation oder Einrichtung daran zu hindern, daß sie sich selbst bei der Geburt umbringt. Es gibt Beispiele im Überfluß von neuen Gebilden, die das Licht der Welt erblicken, voll ausgestattet mit stellvertretenden Direktoren, Beratern und Geschäftsführern - alle versammelt in einem Gebäude, das speziell für diesen Zweck geplant und errichtet wurde. Die Erfahrung lehrt uns, daß eine solche Gesellschaft stirbt. Sie wird von ihrer eigenen Vollkommenheit erstickt. Sie kann nicht Wurzeln schlagen, denn es mangelt ihr an Humus. Sie kann auch nicht mehr wachsen, denn sie ist bei Geburt schon ausgewachsen. Fruchtlos von Natur aus, kann sie natürlich auch nicht blühen. | ||
+ | Wenn wir einem solchen Beispiel der perfekten Planung begegnen - wenn wir beispielsweise plötzlich Auge in Auge mit einem neuen Gebäude stehen, das die Vereinten Nationen beherbergen soll -, dann werden die Wissenden unter uns traurig die Köpfe schütteln, pietätvoll ein Tüch über die Leiche ziehen und auf Zehenspitzen hinausschleichen - in die frische Luft. | ||
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